Sabine B. Vogel: Interview mit Günther Pedrotti aus dem Katalog: "Kunst- und Sozialgeschichten" steirischer herbst 95 Bildgalerie


Sabine B. Vogel: Ihre Ausstellung findet statt im Rahmen des Steirischen Herbst, unter dem Motto “Die Kunst ist aus, das Spiel geht weiter” und umgekehrt – sind Ihre “Fliegenden Untertassen” eine Art Antwort darauf?

Günther Pedrotti: Nicht direkt. In dieser Arbeit ist eher die gesamte Bandbreite meiner spielerischen Umgangsweise mit Kunst enthalten. Die „Fliegende Untertasse“ und der „Fliegende Teppich“ sind etwas absolut Fiktives. Durch die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten zwischen Material und Bedeutung gelingt es mir, die Untertasse und den Teppich zu schaffen.

Sabine B. Vogel: Sind die Titel Ihrer Arbeiten Teil des „Spieles“?

Günther Pedrotti: Ohne Titel würde man z. B. bei der „Fliegenden Untertasse“ die Untertasse gar nicht erkennen – und würde man sie deutlich erkennen, wäre es zu direkt ausgedrückt. Dr. Fenz hat das in einem Katalogtext gut beschrieben, die Randbemerkung als Text. Der Text gehört dazu und bringt das Ganze in Bewegung.

Sabine B. Vogel: Warum benutzen Sie Pariser?

Günther Pedrotti: Das leitet sich aus meiner Beschäftigung mit Latex ab. Man kann es als Träger für Fotokopien verwenden, es ist aktuell ...

Sabine B. Vogel: …aktuell?

Günther Pedrotti: ja, Stichwort AIDS...

Sabine B. Vogel: …können Pariser nicht-aktuell sein?

Günther Pedrotti: ...die waren zwar immer aktuell, aber vorher nicht so weit vorne in gesellschaftlichen Diskussionen. Es ergibt sich bei diesem Material eine große Palette von Spielmöglichkeiten – London, Paris, die Orte, die auch Fluchtorte sein können.

Sabine B. Vogel: Flucht wovor?

Günther Pedrotti: ...vor AIDS, AIDS ist ein Thema dieser Arbeiten, auch in „Amors Bogen“, obwohl der noch weitergeht und überhaupt das Thema Sexualität, die direkt wirkt, aufgreift. Körperkontakt, Wildheit... und durch Präservative ist eigentlich alles sehr gedämpft.

Sabine B. Vogel: Das Spiel mit der Kunst nehmen Sie in der Reihe „konsequente kunstgeschichtliche Weiterentwicklung eines Vergrößerungsglases über Lichtenstein bis Troger“ auf – wer ist Troger?

Günther Pedrotti: Gustav Troger ist ein steirischer Künstler, der derzeit in Los Angeles lebt und verschiedene Gegenstände mit Löchern versehen hat, vom Plastiksitzmöbel bis zum Verpackungskarton. In meiner Arbeit gibt es die Spannung zwischen den Rasterpunkten von Roy Lichtenstein, die positiv besetzt sind ... obwohl Lichtenstein ja selbst nicht entscheidet, ob die Punkte das Werk sind oder die Zwischenräume ... und Troger, er hat die Löcher, die Leere.
(siehe Bilder: Projekte, Sozial u. Kunstgeschichten)

Sabine B. Vogel: Die Arbeit baut also auf einer formalen Analogie auf?

Günther Pedrotti: Ja. In den anderen Arbeiten, die mit Lichtenstein zu tun haben, sind die Vergrößerungen entscheidend – das „Wollknäuel von Dürers Mutter“ und das „Große Rasenstück mit Heuhaufen“. Da bin ich davon ausgegangen, wenn man das Rastersystem von den verschiedenen Bildern vergrößert, dann entsteht eine Gleichheit zwischen den einzelnen Werktiteln.

Sabine B. Vogel: Die konsequente Weiterentwicklung geht dann Richtung Ununterscheidbarkeit?

Günther Pedrotti: Als Zwischenstation, ja. Ich erlaube mir dann, einen neuen Titel zu vergeben.

Sabine B. Vogel: Warum haben Sie Lichtenstein gewählt – als signifikanter Name der Kunstgeschichte oder weil er Ihnen als Figur innerhalb Ihrer eigenen künstlerischen Entwicklung begegnete?

Günther Pedrotti: Als signifikanter Name...brauchbar...

Sabine B. Vogel: ... als eine Art Material, wie Pariser?

Günther Pedrotti: ..ja, als visuelle Information. Die Arbeiten, die ich verwende, haben eine eigenartige Inhaltsleere. Es ist eine sehr respektvolle Annäherung. An so einer großformatigen Arbeit schneide ich einen Monat lang. Die Vorlagen werden vergrößert, dann als Kopie mit Lösungsmittel auf den Kunststoffboden übertragen und die hellen Flächen schneide ich mit einem Linolschnittmesser heraus. Das ist wie ein Linolschnitt – es ergeben sich dadurch Analogien zu meinen früheren Arbeiten, aus den frühen 80ern. Da begann ich auch, mein Foto-Archiv anzulegen, Illustriertenfotos, Fundstücke und private Fotos.

Sabine B. Vogel: Unter welchem Ordnungsprinzip sortieren Sie diese Fotos?

Günther Pedrotti: Ich wähle erinnerungsträchtige Orte aus, Architektur, Landschaft, und Menschen, die aber nur bei den Fundstücken wichtig sind.

Sabine B. Vogel: Sie bauen auch Maschinen?

Günther Pedrotti: Ja, „Wasser-Maschinen“. Da geht es um den Drehmoment der Wasserkraft, die ich mit Metaphern verbinde. Bei der letzten, an der ich gerade arbeite, geht es mir um die Fließumkehrung von Wasser. Wasser fließt in eine Richtung und wir verbinden das mit einem Zeitgefühl. In der Mitte der Maschine dreht sich eine große hohle Welle, die sich durch einen wiederum wassergesteuerten Zufallsgenerator in die eine oder andere Richtung dreht. Ich baue die Maschine, um sie in der freien Natur zu betreiben und mache dann ein Video davon, das ausgestellt wird.

Sabine B. Vogel: Die Maschine stellen Sie nicht aus?

Günther Pedrotti: Man könnte sie zwar in Innenräumen mit dem Wasserleitungs-System betreiben, aber der eigentliche Ort ist das fließende Wasser in der Natur, meistens kleine Bäche, die ich aufstaue. Neulich ist es mir gelungen, den Bach in die andere Richtung fließen zu lassen. Ich erzeugte einen Stau, wobei ein Schlauch unter die Wasseroberfläche versenkt wurde. Als ich diesen Schlauch vorne öffnete, floß das Wasser nach hinten ab. Diese Arbeit hab ich allerdings bisher noch nicht ausgestellt.

Sabine B. Vogel: Wo würden Sie Ihre künstlerische Position einordnen, also Kollegen, verwandte künstlerische Arbeiten, Kontext?

Günther Pedrotti: Das ist ein Problem – ich kann keine Einordnung treffen.