Katalogtext Galerie Centrum Ceske Grafike, Prag 1991 "Die Randbemerkung als Text"  
 


Die spitze Feder des literarischen Apercus, die Lust zur Bemerkung am Rande materialisiert sich in Günther Pedrottis Werkgruppe "Geschützte Zeiten" in so "handfesten" Materialien wie PVC, Xerografien, feuchten Schwämmen, einem Luftballon oder einem Gummischlauch.

Kunstprodukt und Kunstproduktion scheinen nur insofern am gleichen Weg zu liegen, als immer wieder die Wegstationen der unterschiedlichen Produktionsmechanismen und Erzeugungsqualitäten passiert und als visuelle Notiz erfurchtslos markiert werden. So wird auch nicht der triviale Gegenstand direkt das Objekt der künstlerischen Begierde, sondern die Beobachtungen seiner Benutzung und Abnutzung.

Was Marcel Broodthaers an Genieblitzen und reflektierten Assoziationsfeldern in die Kunst einführte, wird hier quasi vom Beobachterstatus aus unter einer weit streuenden Optik bearbeitet.

Diese Haltung bedarf nicht eines generellen Scharfstellens der Empfangsantenne als conditio qua non: Jedes Signal beim Einrichten und Herstellen des Empfangs, also auch die "unreinen" Zwischentöne, das Flimmern des Bildkosmos auf der Welle kunstimmanenter Signale, wird Ausgangspunkt, die "spitze Feder" für ziemlich konkrete Marginalisierungen in Verwendung zu nehmen. Es kann außerdem kein Zufall sein, dass das Medium der beliebigen Wiederholbarkeit, die Xerografie, einen wesentlichen materiellen Anteil am Kunstprodukt besitzt.

Es wäre mit großer Wahrscheinlichkeit falsch, vor diesen Realisierungen von einem Wiederaufleben des ready made zu sprechen, geht es doch weniger um dessen ursprünglich intellektuell ausgeformte Gestalt, sondern um die vielen Gewänder, in denen es bis heute aufgetreten ist.

Pedrotti interessiert, was den nackten Kern verhüllt. Von dieser Position aus verzichtet er auf jede weitere Brechung auf der ästhetischen wie intellektuellen Ebene. Weil er sich in den Zwischenräumen einer via Kunst transportierten _Wirklichkeitserfahrung bewegt, kann er, so scheint es, offen über vieles reden: Selbstbespiegelung, banales, "abgegriffenes" Material liegen auf diesem Weg. Zurechtgemacht, im einen oder anderen Fall noch etwas "aufgeladen", ist es der Stoff, aus dem die illusionslosen Träume sind.

Den möglichen Blick zurück, zur arte povera italienischer Prägung oder zum surrealen Exkurs eines Curt Stenvert, ersetzt eine akzentuierte fatalistische Haltung, die ganz bestimmte visuelle Qualitäten entwickelt. Diese entfalten sich aus einem mehr saloppen als behutsamen Umgang mit Materialien und der daraus resultierenden Anspruchslosigkeit, die das Kunstwerk scheinbar auszeichnet.

So ersetzen die "Randbemerkungen" den üblicherweise streng redigierten Text, und verlagern den Diskurs von inne nach außen. Dort ist der Platz der rückbezüglichen Antworten.

Text,Werner Fenz, Graz

Aus dem Katalog "protected times"