Text aus dem Katalog "inhaltlich" Ecksaal Joanneum, Graz  
 


"An jedem Tag schafft die moderne Industrie Gegenstände, die einen unbestreitbaren Wert haben. Der Geist dieser Objekte beherrscht die Welt". (Fernand Léger).

Und die Kunst, so ließe sich hinzufügen. Nur drei wesentliche Stationen dessen, was unter der Bezeichnung "Objektkunst" seit dem zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts ganz entscheidend zur Erweiterung des bis dahin fest umrissenen Kunstbegriffs beigetragen hat, seien hier in Erinnerung gerufen: die ebenso provozierende wie folgenreiche Geste Duchamps, der in seinen "Readymades" den Herstellungsprozeß durch den Willen des Künstlers ersetzte, das "object trouvé" der Surrealisten und die aus ihm entwickelte "ars combinatoria" mit ihren poetischen und phantastischen Evokationen, schließlich die in der Pop-art eifrig betriebene Nobilitierung des industriellen Produkts durch seine optische und haptische Verdoppelung.

Diese Positionen stecken jenes historische und ästhetische Feld ab, innerhalb dessen die neuen Arbeiten von Günther Pedrotti verortet werden können. Wobei sich eine einfache Zuordnung verbietet, da er in diesem Feld nicht den ausgetretenen Pfaden folgt, sondern sich einen eigenen Weg sucht. Was ihn mit den genannten Traditionen verbindet, ist die Tendenz zur Entsubjektivierung der Kunstproduktion durch eine konsequente Vermeidung expressiver Ausdruckmittel und die Verwendung vorgefertigter Gegenstände, die aus ihrem gewohnten Zusammenhang herausgenommen und isoliert werden. Eine Bedeutungsverschiebung, eine Aufwertung ihrer formalen Komponenten auf Kosten der funktionalen ist die Folge. Dieser Transfer hebt das Objekt aus der trivialen Zone des alltäglichen Gebrauchs - Pedrotti verwertet in seinen Assemblagen ausgesprochene Massenartikel - in eine ästhetische.

Der Bruch mit der vertrauten Perspektive vollzieht sich hier aber nicht nur durch bloßen Kontextwechsel, sondern findet seine Fortsetzung durch Eingriffe am Gegenstand selbst, vor allem aber dadurch, dass dieser mit anderen Objekten oder Teilen davon zu einer neuen Einheit verbunden wird. Pedrotti entzieht die Dinge sowohl der ihnen zugedachten Nutzanwendung als auch der reflexionsfreien, weil gewohnheitsmäßigen Wahrnehmung, indem er sie durch Manipulation oder Kombination verfremdet. Zugleich aber führt er sie in eine neue Klarheit über. Die auf den ersten Blick heterogenen Elemente verweisen aufeinander und verbinden sich zu einem durchaus eigenwilligen Ganzen. Der Zusammenhang ist jedoch kein logischer, sondern ein analogischer, der auf der Verwandtschaft von Qualitäten beruht: Farbe gesellt sich zu Farbe, Material zu Material, Form zu Form. Die Ergebnisse sind weniger poetisch (im Sinne wildwuchernder Konnotationen) als vielmehr streng dadurch, dass sie sich einerseits deutlich als Resultat eines Transformationsprozesses zu erkennen geben, andererseits aber durch ihre Stringenz selbstverständlich wirken. Um gleich darauf diese Selbstverständlichkeit als scheinbar zu entlarven und in Frage zu stellen.

Kaum jemals geht die Manipulation so weit, dass dadurch ein autonomes plastisches Gebilde entsteht; stets bleiben die Ausgangspunkte sichtbar. Das ist durchaus beabsichtigt, ja sogar ein entscheidender Punkt in Günther Pedrottis künstlerischer Konzeption, die auf dem Aufzeigen und Herausarbeiten von Spannungen basiert. Die Gegenstände verlieren zwar durch ihr Aufgehen in einem anderen Kontext ihren ursprünglichen Wert, zugleich wird dieser aber neu definiert, das heißt, auf einen anderen Bereich verlagert. Der Bruch mit dem Gewohnten erweist sich also weder als vollkommen noch als endgültig, sondern ist ambivalent. Genaugenommen kommt es zu einer Spaltung der Dinge selbst in einen praktische und einen begrifflichen Teil, zu einem produktiven Auseinanderdriften von Gebrauch und Bedeutung, Handlung und Reflexion. Ihr grundlegender Charakter jedoch bleibt weitgehend unangetastet.

Dieser erschließt sich bei einer vergleichenden Betrachtung und bezeichnet den inneren Zusammenhang der Arbeiten. In allen spielen Gefäße (verstanden im weitesten Sinne als das, was etwas in sich fassen und aufbewahren kann) eine zentrale Rolle: Entweder bilden sie (oder Teile davon) das Ausgangsmaterial oder aber dieses schließt sich formal zu solchem zusammen. Körbe, Eimer, Wannen, Blumentöpfe, Schläuche, Plastiksäcke, Luftballons, Deckel und Henkel finden darin einen gemeinsamen begrifflichen Nenner, unter den sie sich - zumindest hypothetisch - subsumieren lassen.

Das Gefäß ist eine Form, die nach Auffüllung mit einem Inhalt geradezu verlangt. Die Reduktion des Dinges auf ein entfunktionalisiertes Form-Ereignis erweist sich somit als Vorwand, als bloße Vorstufe zu seiner neuerlichen Indienstnahme auf der semantischen Ebene. Was zuvor mit konkreter Stofflichkeit gefüllt war, erfüllt sich nun mit Sinn. Einem Sinn, der sich - und damit schließt sich der Kreis - auf mögliche ursprüngliche Inhalte rückbeziehen lässt.

Alle Dinge treffen sich in ihrer Künstlichkeit. Obwohl ein Teil des verwendeten Materials, Imitationen von Früchten und Gemüse aus Plastik bzw. Gummi, eigentlich primär der optischen Täuschung dient, von vorne herein als Schau-Stück fungiert. Als Massenprodukte mit ausgesprochenem Warencharakter (sie werden per Versandkatalog zum Kauf angeboten) verweisen sie gleichwohl auf etwas, das zwar einerseits mit ihnen in unmittelbaren Zusammenhang steht (als Form), andererseits aber ihr gerates Gegenteil ist (bezüglich der materiellen Qualität): Natur.

Alle Dinge treffen sich in ihrer Künstlichkeit. Obwohl ein Teil des verwendeten Materials, Imitationen von Früchten und Gemüse aus Plastik bzw. Gummi, eigentlich primär der optischen Täuschung dient, von vorne herein als Schau-Stück fungiert. Als Massenprodukte mit ausgesprochenem Warencharakter (sie werden per Versandkatalog zum Kauf angeboten) verweisen sie gleichwohl auf etwas, das zwar einerseits mit ihnen in unmittelbaren Zusammenhang steht (als Form), andererseits aber ihr gerates Gegenteil ist (bezüglich der materiellen Qualität): Natur. Das führt uns zu den Inhalten zurück, die sich angesichts der Gefäße assoziativ etwa folgendermaßen bestimmen ließen: Wasser - Erde - Luft - Frucht/Gewächs. Nachdrücklich wird das Abwesende oder nur durch artifizielle Surrogate Vermittelte in Erinnerung gerufen. Der Bezug zur Natur, die Bezugnahme auf sie bleibt zwar unausgesprochen, ist aber latent immer vorhanden.

Pedrottis Kunst hat also auch hier - und das verbindet seine neuen Arbeiten mit den vordergründig so anders gearteten früheren - mit Heimaterkundung zu tun, nun allerdings nicht mehr in einem konkreten biographischen und geographischen, sondern in einem grundlegenderen, gleichsam "elementaren" Sinn als Suche nach den Wurzeln, dem Ursprung. In der Arbeit mit dem Titel "Gedämpftes Reich" kommt dies klar zum Ausdruck. Das von einer blauen Plastikwanne umschlossene und solcherweise domestizierte Wasser verliert doch keineswegs seine Phantasie und Gefühle anregende Kraft, weist, durch den kulturellen Filter hindurch, auf seine Herkunft zurück. Was unter einem funktionellen Blickwinkel als selbstverständlich, ja geradezu banal erscheint, erweist sich, in einen anderen, von der subjektiven Assoziationsfähigkeit abhängigen Kontext gebracht, als durchaus vielschichtig und für mannigfaltige Bedeutungen offen.

Gerade dem Wasser kommt in dieser Hinsicht eine ganz zentrale Funktion zu, und es ist kein Zufall, dass es sich als Faszinosum durch Pedrottis Werk zieht, und sei es nur als gedankliches Konstrukt. In einer 1989 entstandenen Skulptur versah er einen genau ein Meter langen, himmelblau gestrichenen Betonquader mit einem Frage- und einem Ausrufzeichen am Anfang bzw. Ende. Der Titel "Wasser kann nur fließen" deutet seiner eigenen Interpretation nach auf das "ewige Hin und Her des Menschen zwischen Frage und Antwort - Antwort und Frage".

In diesem Sinn ist auch der vorliegende Versuch - und das sei ausdrücklich betont - nur eine von vielen möglichen Arten, Günther Pedrottis Objekte zu lesen, in ihnen zu lesen. Wie das Wasser, so flottieren auch die Bedeutungen: endloses Spiel zwischen Transparenz und Verhüllung, Trübung und Klarheit. Der Unbestimmtheitscharakter des Ästhetischen eröffnet rezeptive Spielräume, die immer wieder anders und immer wieder neu zu aktualisieren sind.

Text, Harald Jurkovic, 1992